Raku-Technik

Raku Technik
Keramik in Raku-Technik

Der Begriff „Raku“ tauchte zum ersten Mal in Japan im 16. Jahrhundert auf und wurde von dem berühmten Feldherrn und Staatsmann, Toyotomi Hideyoshi (1535-1598) als Auszeichnung an Jokei, Sohn koreanischer Einwanderer, verliehen. Das Zeichen für Raku war in ein goldenes Siegel geschnitten und bedeutete sinngemäß Zufriedenheit, Freude, Vergnügen und auch „das Beste auf der ganzen Welt“. Diese Ehrung galt Jokei´s Vater Chojiro, den der einflußreiche Teemeister Senno-Rikyu (1522-1591) auserwählt hatte für die Anfertigung von Geschirr für die Teezeremonie.

Raku war also ein Markenname in Familienbesitz, der nunmehr seit vierhundert Jahren auf die nachfolgende Generation oder an hervorragende Bewahrer der alten Tradition vererbt wurde, die als „Adoptivsöhne“ betrachtet werden. Heute lebt und arbeitet der 15. „Herr Raku“, Kichizaemon, in Kyoto.
Die Herstellung von Rakugefäßen war eng mit der japanischen Teezeremonie verbunden. Daher wurden hauptsächlich Teeschalen – chawan – hergestellt, aber auch die kleinen Behälter für das Teepulver – cha-ire – sowie kleine Vasen für das chabana, ein natürliches und unprätentiöses Blumenarrangement, das in der Tokonoma des Teehauses während der Dauer der Teezeremonie aufgestellt wurde. Rakugefäße wie wir sie heute kennen, wurden von den großen Ikebanameistern frührer Zeit nicht verwendet, zumindest sind mir keine Abbildungen davon bekannt. Es mag daran liegen, daß die bei niedrigen Temperaturen gebrannten Vasen bei längerem Aufstellen undicht waren – im Gegensatz zu Steinzeug und Porzellan, das beim Brennen bei ca 1300°C sintert, der Ton also durch Verglasen wasserdicht wird.

Der Töpfer verwendete sehr grob schamottierten Ton (Schamotte: Granulat aus bereits vorher gebranntem Ton, das der „rohen“ Tonmasse beigemischt wird), um das Zerspringen der Gefäße durch den Hitzeschock beim frühen Entnehmen aus dem Ofen zu vermeiden. Die Teeschalen wurden bevorzugt mit der Hand, nicht auf der Töpferscheibe geformt, da man ihre organische Unregelmäßigkeit sehr schätzte. Danach wurden sie mit einer leicht schmelzbaren Glasur sehr dick glasiert und bei niederen Temperaturen (800-1000°C) gebrannt. Besonderen Wert legen die Benutzer der Teeschalen auf ein gutes „In-der-Handliegen“ und einen weich verlaufenden oberen Abschluß. Rakuware wird schnell in primitiven Öfen gebrannt, nach der Entnahme mit langen Zangen sehr heiß in kaltem Wasser abgeschreckt. Dies führt zu dem bekannten Rissenetz, das im Laufe des Gebrauchs vom Tee dunkel eingefärbt wird. Man unterscheidet zwischen drei Glasuren:
Aka-Raku: Warmes Rosa bis Ziegelrot
Kuro-Raku: Tiefes, öliges Schwarz
Shiro-Raku: Sehr selten zu sehendes Weiß.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebte der später für die Entwicklung der europäischen Keramik so bedeutende Töpfer Bernhard Leach in Japan. In seinem „Töpferbuch“ schildert er seine Begegnung mit Raku, einer bis dahin im Westen völlig unbekannten Technik. Seine Faszination und Begeisterung übertrug sich später auf viele seiner Kollegen in England und so entstanden dort in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts die ersten europäischen Rakugefäße. Aber eine wirklich formale Neuerung kam aus Amerika. Paul Soldner war der erste Töpfer, der die noch glühenden Stücke dem Ofen entnahm und in brennbares Material (Stroh, Laub, Sägemehl) legte. In den geschlossenen Behältern, z.B. alten Öltonnen, entstanden Rauch- und Schmauchspuren sowie schillernde Reduktionsfelder auf den Gefäßen und das schwarz eingefärbte Craquelee, das uns so typisch für Raku erscheint.

Diese neue Entwicklung in der westlichen Welt wirkte wie eine Initialzündung. Es wurde und wird mit den verschiedensten Glasuren, Brennverfahren und Abräuchermethoden gearbeitet. Dies gilt auch für die Formgebung der Ware. Da die japani-sche Tradition der Teezeremonie und ihre enge Bindung an die Philosophie des Zen-Buddhismus für im Westen arbeitende TöpferInnen keine Bedeutung hat, sehen wir heute figürliche und abstrakte Werke neben Gefäßen und Schalen aller Art.

In unserer von Symmetrie und Perfektion bestimmten Welt scheinen Gegenstände, die im Rakubrand entstanden sind, etwas ganz Besonderes zu sein. Die weichen Oberflächen und Kanten, der milchige Schimmer der Glasuren und das zufällig erscheinende, tief schwarz eingefärbte Rissenetz geben dem Betrachter das Gefühl, etwas Unvollkommenes, Zufälliges anschauen und anfassen zu dürfen. Eine große Ruhe geht von gelungenen Rakustücken aus und dieses Erleben spannt sich als weiter Bogen zurück in seine Anfänge und seine wörtliche Bedeutung. Raku: Zufriedenheit, Freude und Vergnügen.

Quellenangabe:
Bernhard Leach: Das Töpferbuch, 5. Aufl. Hörnemann Verlag Bonn. 1980
Tim Andrew: Raku, Paul Haupt. Verlag Bern, 1997

Glasurfreies Raku
Bernhard Leach: Das Töpferbuch, 5. Aufl. Hörnemann Verlag Bonn. 1980
Tim Andrew: Raku, Paul Haupt. Verlag Bern, 1997
In einem aufwendigen Verfahren wird das Gefäß poliert, mit einer Zwischenschicht versehen und glasiert. Nach dem Brand werden Glasur und Zwischenschicht entfernt und der unglasierte Scherben zeigt das spontane Muster der Craquelierung auf. Jedes Keramikobjekt ist eine Einzelstück, da es auch bei gleichen Bedingungen keine Wiederholung der schwarzen Muster geben kann.